Wirbel-Therapie mit Daumendruck
Bericht
VON CLAUDIA RICHTER erschienen am 06.02.2006 in der Presse (WIEN)
Dorn-Methode. Die sanfte Wirbel- und Gelenksbehandlung ist nicht unumstritten.
Hilft sie oder hilft sie nicht, die Dorn-Therapie, eine sanfte Wirbel- und Gelenksbehandlung? "Ja, exzellent", behaupten die Dorn-Therapeuten, "jein" sagen etliche Schulmediziner. Einer von ihnen, Österreichs "Wirbelsäulen-Papst" Univ.-Prof. Dr. Hans Tilscher: "Ein Ansatz der Dorn-Therapie ist schon richtig, nämlich dass die Hand der diagnostische und therapeutische Zentralpunkt in der Medizin ist." Die Hand ist auch das wichtigste Instrument der Dorn-Therapeuten, die mit sanftem Druck des Daumens Fehlstellungen der Wirbel an den Dornfornsätzen korrigieren wollen. "Bei einem gesunden Menschen befinden sich die Wirbel in der Mitte, die Energie kann ungestört fließen", schildert der deutsche Dorn-Therapeut Erwin Wagner. Bei sehr vielen Menschen aber - so Wagner - seien etliche Wirbel leicht verschoben und das könne sehr schmerzhaft sein. "Schmerz ist nichts anderes als blockierte Energie." Und dagegen eigne sich die Dorn-Methode ideal. Vater dieser Therapie ist der bayrische Landwirt und Sägewerksbesitzer Dieter Dorn. Mit starken Rückenbeschwerden - "Ich konnte mich vor Schmerz kaum noch bewegen", schreibt Dorn in einem Selbstporträt - ging er eines Tages zu einem "alten Einrichter", der ihn in kürzester Zeit wieder vollkommen schmerzfrei machte. Begeistert von dieser Methode erlernte Dorn erste Handgriffe und entwickelte später daraus die Dorn-Methode. "Dabei wird nicht chiropraktisch vorgegangen, also etwa mit Kraftaufwand, wir arbeiten mit Gefühl, Dynamik und Atemtechnik", erklärt Wagner. Gefühl: "Das gefühlvolle Betasten an den Dornfortsätzen und das mitfühlende Verschieben der Wirbel und Gelenke sind entscheidend, wenn der Therapeut mit sanftem Daumendruck fehlgestellte Wirbel wieder in die Mitte bringt." "Wenn man gewisse Punkte im Muskel eine Zeitlang drückt oder reibt, hilft das auf alle Fälle, so arbeiten wir teilweise auch", sagt Univ.-Doz. Dr. Martin Friedrich, Leiter der Abteilung für orthopädische Schmerztherapie am Orthopädischen Spital Wien-Speising. Dorns Methode beruhe ja auch auf manualmedizinischen Techniken, die Vorstellungen aber seien zum Teil veraltet. "Vor allem die Vorstellung des Einrenkens."
"Wirbel stehen nicht fehl", kritisiert auch Tilscher. "Wirbel können sich sehr wohl verschieben", meint hingegen Dr. Andreas Matt, Arzt für Allgemeinmedizin und Dorn-Therapeut in Göfis (Vorarlberg). Er habe in seiner Praxis mit dem "Zurechtrücken" der Wirbel große Erfolge - oft schon nach einer einzigen Behandlung. "Die Dorn-Methode ist auch Hilfe zur Selbsthilfe, viele Einzelgriffe kann jeder an sich selbst erfolgreich ausführen, zudem gibt es viele Selbsthilfe-Übungen. Wenn man die gewissenhaft zu Hause macht, hat man oft nach einer einzigen Behandlung für mehrere Jahre Ruhe", behauptet Wagner. Wichtig seien solche Übungen auch bei Beinlängen-Differenz. Die Dorn-Theorie dazu: Der Kopf des Oberschenkels kann ein wenig aus der Hüftgelenkspfanne heraus rutschen, wenn nun der linke Oberschenkelkopf zwei und der rechte drei Zentimeter heraus rutscht, kommt es zu einem Beckenschiefstand und zu zwei ungleich langen Beinen. "Diesen Schiefstand, der häufig Beschweren im Hüftgelenk und im gesamten Rücken verursacht, können wir durch Einrichten leicht korrigieren", betont Wagner. "Dass das Hüftgelenk ein wenig heraus rutscht, das kennen wir in der Medizin nicht", sagt Tilscher. "Beinlängen-Differenz kann, muss aber nicht zwangsweise auf einer Fehlstellung des Hüftgelenks beruhen, es gibt auch echte Beinlängen-Differenzen", ergänzt Friedrich. Und die könne man mit der Dorn-Methode nicht behandeln. Behandeln könne man mit der Dorn-Therapie ganz sicher, so der Arzt und Dorn-Therapeut Matt, Bauchprobleme und Ohrgeräusche. "Solche Beschwerden haben sich bei meinen Patienten häufig nach einer Dorn-Behandlung gebessert, auch viele anderen Beschwerden, die von der Halswirbelsäule ausgehen." Durch fehlgestellte Wirbel - so die Dorn-Hypothese - könnten aber auch Dauerschnupfen, Grippe, Sodbrennen, Akne, aufgeplatzte Lippen, Gallenleiden, Diabetes und viele anderen Störungen hervorgerufen werden. "So ist das bitteschön nicht", ärgert sich Tilscher. Die Wirbelsäule könne viel, sehr viel, "aber so viel nun auch wieder nicht". Und: Auch die Schulmedizin gehe immer wieder fehl, aber "diese Dorn-Thesen sind schon ein bisschen zu fehl". In einem aber sollten Dorn-Therapeuten Vorbild für alle Mediziner sein. Tilscher: "Sie greifen Menschen wieder an, die Ärzte tun das ja leider kaum mehr."
© diepresse.com | Wien